GFPS e. V. > Programm > Archiv > 2020 > Forum: p/ost-migrationsgeschichten: berlin neu erzählen - Multikulturelle Gesellschaften und Teilhabe im urbanen Raum Berlin
Das Forum, ein internationales Treffen der GFPS, das Ende Februar in Berlin stattfand, war meine erste Begegnung mit dem Verein. Ich war begeistert von dem liebevollen und offenen Umgang der Teilnehmenden untereinander und dem deutlich spürbaren Herzblut, das von allen Organisatorinnen ausging. Ich wurde herzlich empfangen und willkommen geheißen, sofort fühlte ich mich wohl! Außer dem regen deutsch-polnisch-tschechisch-ukrainisch-belarussischem Austausch, der zu Projekten wie dem FORUM dazugehört, ging es bei diesem Mal um Berlin und die mit der Stadt verbundenen Migrationsgeschichten. Das Programm näherte sich dem Thema aus sehr verschiedenen Perspektiven und zeigte auf, dass hinter dem allgemeinen Begriff der Migration unzählige individuelle Geschichten stehen. Wie genau das aussah? Lest doch einfach bis zum Schluss. Die Zeit verging auf jeden Fall für mich wie im Flug! 😊
Der Donnerstag fing in lockerer Stimmung an - zuallererst wollten wir uns spielerisch in der Gruppe kennenlernen. Durch einige Sprachanimationen, z.B. auf Polnisch und Ukrainisch, sollten wir uns in kurzer Zeit um die 45 Namen merken, die Herausforderung war dabei groß. Aber auch das gemeinsame Essen und vorherige Kochen bot die ersten Gespräche untereinander. Ebenso führte der erste Abend zum ersehnten Wiedertreffen von Freundschaften, die durch die GFPS entstanden sind. Eine besondere Überraschung war die Begrüßung durch die Berliner Integrationsbeauftragte und Schirmherrin des Projekts Katarina Niewiedzial, die uns per Videobotschaft erreichte.
Den Freitag widmeten wir den Stipendiat*innen. Sie stellten ihre Projekte mit viel Eifer vor. Sie hatten ein Semester lang an ihren Projekten in unterschiedlichen Fachrichtungen gearbeitet. Darunter waren z.B. ein Konzept für eine eigene Webseite, die ökologische Denk- und Lebensweisen an Universitäten in der Ukraine und Belarus fördern soll, oder eine soziolinguistische Erforschung von Kiezdeutsch.
Um dem Thema Migration ein bisschen näher zu kommen, ging es am Freitagnachmittag in die Erinnerungsstätte Marienfelde. Die Führung durch die Dauerausstellung „Flucht im geteilten Deutschland“ zeigte uns die Lebensbedingungen der Geflüchteten, die zwischen 1953 und der Wiedervereinigung 1990 die DDR über Westberlin verließen und im dort erbauten Notaufnahmelager unterkamen. Vor allem konnten wir viel über den langen Weg und die damit verbundenen bürokratischen Hürden der Betroffenen lernen. Den Großteil ihrer Zeit verbrachten sie damit, von einem Amt zum anderen zu gehen, sowie einfach auf eine Entscheidung über ihren zukünftigen Wohnort zu warten. Die Herausforderungen, die eine Flucht mit sich bringt, wurden im Museum eindrücklich gezeigt und sie sind vergleichbar mit den Strapazen aktueller Geflüchteter, die z.B. aus Syrien nach Europa kommen. Seit der Wiedervereinigung haben viele weitere Generationen von Geflüchteten in Marienfelde gewohnt und auch heute noch ist Marienfelde ein Übergangswohnheim für Menschen, die auf ihre Aufenthaltserlaubnis warten und hoffen.
Danach nutzten wir alle wieder die Zeit, sich mit den neuen Bekanntschaften in der Gruppe über die neu gewonnenen Einblicke und Kenntnisse über Berliner Migrationsgeschichte(n) auszutauschen. Aber nicht nur, denn sogar das Abendessen war ein eigener Programmpunkt. Ein wunderschönes Buffet syrischen Essens wartete auf uns in der Unterkunft. Mir schmeckte es unglaublich gut und ich habe sicher nicht als Einzige den Vorsatz gefasst, in Zukunft öfters ins syrische Restaurant zu gehen. Gut gesättigt schauten wir dann den 2019 in Berlin gedrehten Dokumentarfilm „Eine Straße, zwei Welten“ an. Er handelt von Amer, einem syrischen Geflüchteten, der bei der 94-jährigen Eva wohnt und mit ihr eine besondere Freundschaft aufbaut, trotz des Altersunterschieds. Auch zeigt der Film seine Begegnung mit den Stammgästen einer Alt-Berliner Kneipe, die dort, abgeschnitten von der Realität, ihre Ablehnung gegenüber Geflüchteten ungeniert ausdrücken und Stereotypen herunterbeten. Der Film thematisiert die Schwierigkeiten von Neuberlinern wie Amer in ihrem neuen Zuhause Akzeptanz und Gemeinschaft zu finden und zeigt die xenophoben Stimmen in der „weltoffenen“ Stadt Berlin, die nicht unbedingt leiser werden.
Der Rest des Abends konnte dann selbst gestaltet werden, einige holten sich ein Stück Berlin ein, andere verbrachten einen gemütlichen Abend im Gemeinschaftsraum. Mit jedem Gespräch, das ich mit den anderen Teilnehmer*innen führte, kamen neue Details der GFPS zum Vorschein, welche meine Neugierde am Verein nur noch weiterwachsen ließen und sich wie Puzzleteile am Ende von alleine zusammenfügten.
Der nächste Tag war mein persönliches Highlight. Unterschiedliche untypische Stadtführungen von lokalen (post-) migrantischen Aktivist*innen zeigten uns ihre Kieze:
Weiter ging es am Samstag mit unterschiedlichen Workshops, die Zeit für Reflexion und Kreativität gaben.
Bei der Gestaltung des letzten Abends konnte wieder jede*r seiner Fantasie freien Lauf lassen, wobei sich eine gößere Gruppe um die Tische und auf den Sofas in der Unterkunft für gemeinsame Spiele versammelte. Für andere war die Nacht durch die nächtlichen Berliner Erkundungstouren garantiert kurz, weswegen der und die ein oder andere den Nachhauseweg am Sonntag für ein Nickerchen nutzte. Bevor es am Abreisetag aber soweit kommen konnte, gab es eine Feedbackrunde, eine Vorstellung des Vereins durch den Vorstand sowie eine Vorstellungsrunde der Workshopergebnisse.
So, jetzt noch schnell die letzten Kontakte austauschen und dann ab nach Hause – und dort nach einem so intensiven Wochenende bestimmt nicht nur für mich ab auf die Couch!