Gemeinschaft für studentischen Austausch in Mittel- und Osteuropa (GFPS) e. V.

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GFPS-Stipendiatenseminar in Vlotho

Ich, und sehr wahrscheinlich auch alle andere Stipendiaten, war ein bisschen erschrocken, als ich den Namen Vlotho zum ersten mal gehört habe. Am Anfang war es für mich sogar schwierig auszusprechen und der Blick auf die Deutschlandkarte hat auch nicht sehr viel Positives versprochen. Wohin soll ich denn fahren um mein Referat zu halten? Genau solche Fragen habe ich mir vor dem Seminar gestellt. Auch die Bahnangestellte, bei der ich meinen Fahrschein gekauft habe, war von dem Namen überrascht. »Zumindest bin ich nicht der einzige, der diese Stadt nicht kennt«, dachte ich mir.

[Photo] Gruppenbild
Gruppenbild. Gruppenphoto: alle Stips des Sommersemesters, der alte und der neue Vorstand, Vertreter vom polnischen Vorstand (Iwana und Jarek) und die Poeten Björn Kuhligk und Jarosław Lipszyc.

Am Donnerstag, 3. Juli 2003, kurz vor halb fünf bin ich aus dem Regionalzug in Vlotho, das hat zumindest der Schaffner gemeint, ausgestiegen. Als ich vor dem Bahnhof kurz eingehalten habe, habe ich glücklicherweise ein paar bekannte Gesichter erblickt, die ich schon von den GFPS-Städtetagen in Leipzig kannte. »Also ich bin doch richtig ausgestiegen, sehr erfreulich bei dem etwas trüben Wetter!« Danach hat die Suche nach dem Gesamteuropäischen Studienwerk Vlotho e. V. (oder noch besser gesagt der Bildungsstätte für Jugendliche und Erwachsene aus West-, Mittel- und Osteuropa; ich werde diese Einrichtung im weiteren Text lieber als Studienwerk bezeichnen) begonnen. Dank des guten Plans, geliefert bekommen von unserer Betreuerin Alexandra, und Orientierungsvermögen haben wir die Anlage gefunden. Auf dem Weg habe ich festgestellt, dass Vlotho eine kleine Stadt ist, die aber ein gewisses Flair hat (mindestens für mich persönlich) und so haben sich meine am Anfang etwas grauen Vorstellungen nicht bestätigt. In dem Studienwerk haben wir auch die Organisatorin – man kann nur Lob aussprechen – von diesem Stipendiatenseminar Kasia Homan zum ersten Mal persönlich kennen gelernt.

Das Studienwerk besteht aus vier Häusern, von denen jedes einen eigenen Namen hat. Als Tscheche habe ich besonders begrüßt, dass wir im Haus »Prag« untergebracht waren. Bis zum Abendessen haben wir uns dann noch mal in Ruhe die Stadt und auch das Studienwerk angeschaut. Beim Abendessen waren dann fast alle Stipendiaten (manche kamen erst am späten Abend), beide (der alte und der neue) Vorstände von GFPS e. V., sowie auch die Vertreter des Vorstands von GFPS-Polska da. Nach dem gemeinsamen (sehr leckeren) Abendessen haben wir uns in einem anderen Raum – wo wir am nächsten Tagen viele Stunden verbrachten – begeben. Auf dem Programm standen Integration- und Impulsspiele, die von Daniel Göpfert sehr gut vorbereitet waren. Ich möchte nicht auf die einzelnen Spiele, die sehr amüsant waren und die den Zweck des Kennenlernens erfüllt haben, eingehen.

[Photo] Integrationsspiele am ersten Abend
Integrationsspiele am ersten Abend.

Nach dem unterhaltsamen Donnerstagabend hat am Freitagvormittag das eigentliche Seminar begonnen. Nach dem Frühstück hat uns Herr Dr. Gerhard Schüsselbauer, der sich um uns die nächsten Tage vorsorglich gekümmert hat, das Gesamteuropäische Studienwerk kurz vorgestellt. Nach der Vorstellung hat die erste Runde der Referate, die durch Robert Brier moderiert wurden, begonnen. Dorota Kmiecik durfte das ganze Seminar mit ihrem Referat mit dem Thema: »Spielpädagogik als Methode der Gruppenarbeit« eröffnen. Sie hat ihr Referat sehr anschaulich vorgestellt, was sicherlich die Teilnehmer, die noch beim Schlafen waren, aufgeweckt hat. Als zweite hat uns Elena Alfrahová ihr Referat zum Thema »Deutsch-tschechische Phraseologismen aus kontrastiver Sicht« vorgeführt. Als letzter an diesem Vormittag präsentierte uns Marcin Michalski sein Thema: »Passiv und Aktiv im Deutschen, Polnischen und Arabischen« und auch seine erstaunliche Arabischkenntnisse. Nach dieser erster Runde konnten wir bei dem Mittagessen aufatmen.

Aber gleich um 14 Uhr haben wir wieder in dem uns schon bekannten Raum gesessen und mit größtem Interesse Herrn Doktor Ekhard Haack (Institut für Deutsche und Niederländische Philologie, Freie Universität Berlin) bei seinem Vortrag zugehört. Das Thema des Vortags war: »Verarbeitung der Wende in der neueren deutschen Literatur«. Dr. Haack ist dabei vor allem auf die Geschichte des Berliner Mauers angegangen. Der Vortrag wurde durch zahlreiche Literaturbeispiele bereichert, so dass man die Texte auch selbst lesen konnte, was uns sicherlich, als Nichtmuttersprachler, sehr geholfen hat. Nach dem interessantem Vortrag und anschließender Erholung bei Kaffee und Kuchen hat die zweite Runde der Referate begonnen. Alexandra Arndt hat uns bei ihrem Referat: »Die elegische Konzeption der Liebe in der römischen Literatur« um einige Jahrhunderte zurück versetzt.

[Photo] Die Stipendiatin Milena bei ihrer Präsenation Musikwelt - Welt ohne Grenzen
Die Stipendiatin Milena bei ihrer Präsenation Musikwelt - Welt ohne Grenzen.

Als zweite kam Milena Piszczorowicz mit ihrem Thema: »Musikwelt – Welt ohne Grenzen« und knüpfte an die römische Liebesgeschichten mit u. a. Ludwig Beethoven und Wolfgang Amadeus Mozart an. Als letzte an diesem Tag hat uns Małgorzata Zając »Die Kunst Michael Pechers« vorgestellt. Danach, voll von neuen Erkenntnissen und interessanten Informationen, haben wir diesen Tag bei einem gemeinsamen Kneipenbesuch ausklingen lassen.

Am Samstag haben wir unsere Referatrunde gleich nach dem Frühstück – wie immer sehr guten – fortgesetzt. Als erste habe ich, Jan Tlučhoř, mein Referat: »Gute Nachbarschaft in bayerisch-tschechischen Grenzraum« vorgetragen und ich hoffe nachträglich, dass ich niemanden zum Schlafen brachte. Als zweite am Samstagvormittag hat uns Zdeňka Konečná ihr Thema »Interkulturelles Management« präsentiert. Nach diesem Referat, der die Unterschiede zwischen Deutschen und Tschechen bzw. Polen beschrieben hat, ergab sich eine sehr lebendige Diskussion, weil sich fast alle angesprochen fühlten einige persönliche Erfahrungen mitzuteilen. Ich muss an dieser Stelle noch bemerken, dass nach jedem Referat viele Diskussionsfragen aufkamen und jeder Referent musste viele weitere Fragen zu seinem Thema beantworten. Als dritte an diesem trüben Vormittag präsentierte Monika Książek die Ergebnisse ihres Projekts (in ihrem Referat): »Migrationen in deutsch-polnischen Beziehungen«. Dieses Thema hat auch die Vormittagsrunde beschlossen. Nach dem Mittagessen und trotz schlechten Wetters haben sich die meisten entschlossen etwas näher die Natur um Vlotho kennen lernen. In einem etwa zweistündigen Spaziergang entlang der Weser haben wir die Landschaft bewundert, weiter die Referatsthemen untereinander besprochen und frische Luft eingeatmet. Am späten Nachmittag sind wir – zum letzen Mal – in unseren Vortragsraum eingetroffen, um zwei letzte Referate hören zu können. Tomasz Rabant hat diese Referatrunde mit der sehr interessanten Vorstellung seiner Doktorarbeit »Der deutsche konsularische Dienst in der II. Republik Polen« begonnen. Und als letzte ist Ewa Kończak an die Reihe gekommen und mit ihr wieder ein Einblick in die Kunstgeschichte. Das Referatthema war »Kontakte zwischen ostdeutschen und polnischen Mailart-Künstlern in den 70er Jahren, Robert Rehfeldt und seine Rolle in der Begegnung der Kunst der Post in Ostdeutschland und Polen«. Damit wurde das Stipendiatenseminar – die einzelne Referate der Stipendiaten – abgeschlossen.

[Photo] Poesieabend mit den Lyrikern und Kasia (Organisatorin des Stipseminars)
Poesieabend mit den Lyrikern und Kasia (Organisatorin des Stipseminars).

Nach der geistigen Arbeit hat uns Herr Dr. Schüsselbauer Bratwürste und Steaks direkt vom Grill zum Abendessen serviert. Nach dem Abendessen haben wir uns in einem gemütlichen Zimmer des Hauses Prag versammelt um am deutsch-polnischen Poesieabend teilzunehmen. Kasia Homan hat zwei Lyriker eingeladen, und zwar den deutschen, bzw. Berliner, Lyriker Björn Kuhligk und polnischen Dichter und Sänger Jarosław Lipszyc aus Warschau. Beide Künstler waren sehr unterschiedlich und konnten ihr Werk wunderbar vorstellen, so war der Abend keineswegs langweilig. Nach dem Poesieabend haben wir uns von dem alten Vorstand von GFPS e. V. feierlich verabschiedet. Danach begann das deutsch-polnisch-tschechische Feiern.

[Photo] Jaroslaw Lipszyc beim Vortrag, man beachte die Pistole
Jaroslaw Lipszyc beim Vortrag, man beachte die Pistole.

Am Sonntag ist dann der Abschied gekommen. Auf alle wartete noch eine lange Zugfahrt nach Hause. Und ich hoffe es ist jedem etwas in Erinnerung von dieser wunderbaren Veranstaltung geblieben.

Photos: Uta Volgmann

Jan Tlučhoř