Gemeinschaft für studentischen Austausch in Mittel- und Osteuropa (GFPS) e. V.

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Die GFPS-Städtetage in Dortmund

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts machten sich viele Menschen aus dem damals geteilten Polen auf der Suche nach Arbeit in die Industriegebiete des Ruhrgebiets auf. Dort arbeiteten sie in Kohlegruben, in Webereien oder in Stahlhütten und hatten einen beträchtlichen Anteil an der Industrialisierung des damaligen westlichen Preußens. In vielen Fällen blieben sie für immer in dem Gebiet. Schlägt man heute beispielsweise die Telefonbücher der Stadt Dortmund auf, findet man dort unzählige polnische Namen – die Nachkommen der polnischen „Gastarbeiter“ sind seit Generationen fester Bestandteil der Stadt.

  • copyright by Christian Gäbel & Stefanie Hoge

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  • Das Orga-Team

    Das Orga-Team

  • Die neuen Stips in Deutschland

    Die neuen Stips in Deutschland

  • Die Stipendien-Zeremonie

    Die Stipendien-Zeremonie

  • Politische Debatte

    Politische Debatte

  • Bei der Stadtrallye

    Bei der Stadtrallye 21.10.2016

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    Dortmund 21.10.2016

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    Czesc 21.10.2016

  • Skyline von Dortmund

    Skyline von Dortmund 22.10.2016

 

Die diesjährigen Städtetage in Dortmund führten in kleinem Rahmen diese „Tradition“ des Austauschs zwischen Polen und dem Ruhrgebiet weiter; wenn auch auf eine etwas andere Weise: Zu den GFPS-Städtetagen kamen Stipendiat*innen, Mitglieder und Interessierte von GFPS aus Polen, aber auch aus Tschechien, Belarus und Deutschland für ein Wochenende in Dortmund zusammen und setzten sich mit der Stadt, polnischen Spuren im Ruhrgebiet und deutsch-polnischen Beziehungen anhand von Migrant Care Workers in der häuslichen Pflege auseinander.

„Gibt es einen ‚Ruhri‘? Und welche Rolle spielen die polnischen Einwanderer bei dieser Lokalidentität?“, fragte sich Marek Firlej und kam zu dem Schluss, dass eine ausgeprägte Identifizierung vieler Menschen im Ruhrgebiet mit ihrer Region festzustellen sei, polnische Einflüsse jedoch nicht direkt eine große Rolle dabei spielten, da diese sich nach ihrer Ankunft in der Regel sehr schnell assimiliert hätten. Seine Ausführungen wurden von Johannes Hoffmann ergänzt, dessen Eltern nach dem Zweiten Weltkrieg aus Schlesien in das Ruhrgebiet migrieren mussten und der heute zu polnischen Spuren im Ruhrgebiet forscht.

Nachdem die neuen GFPS-Stipendiat*innen aus Polen, Belarus, Tschechien und Deutschland im Rathaus der Stadt Dortmund feierlich ihre Urkunden überreicht bekommen hatten, erkundeten die Teilnehmenden der Städtetage den Ort, an dem sie sich befanden: Dortmund ist bei Regenwetter zwar zugegebenermaßen nicht die allerschönste Stadt Deutschlands – jedoch gibt es viele interessante Dinge zu entdecken: Das Dortmunder U – ehemaliges Fabrikgebäude der Unionsbrauerei Dortmund und heute Ort für Kunstausstellungen; den Bahnhof, der von außen erstaunlicherweise etwas an sozialistische Architektur erinnert; einstige Zechen, in denen sich inzwischen schicke Bürogebäude befinden oder eine alte Kohlegrube, die geflutet wurde und sich – ähnlich wie ein Phönix – aus einem hässlichen Industriegebiet zu einem beliebten und schönen Ort verwandelt hat (Phönixsee).

Dieser Erkundungstour folgte am Samstag der eigentliche inhaltliche Höhepunkt der Städtetage mit einem Vortrag und anschließendem Workshop zum Thema „Polnische Pflegekräfte in deutschen Haushalten“. Mit der ehemaligen GFPS-Stipendiatin Patricja Kniejska, deren Dissertation „Migrant Care Workers aus Polen in der häuslichen Pflege. Zwischen häuslicher Nähe und beruflicher Distanz“ in diesem Jahr veröffentlicht wurde, hatten die Dortmunder Städtetage eine ausgesprochene Expertin zu diesem aktuellen Thema gewinnen können. Vor- und Nachteile des Phänomens wurden nach dem Vortrag in einem „Diskussionsclub“ von den Teilnehmenden diskutiert, Konfliktfelder dieser Arbeit besprochen und Überlegungen zu Lösungsansätzen angestellt. Die anregende Diskussion wurde teilweise auch noch auf einem anschließenden Spaziergang weitergeführt und der Tag mit Musik und Tanz in der Dortmunder Großmarkt-Schenke abgerundet.

Hochzufrieden und erfreut über die vielen schönen Begegnungen, Gespräche und entspannten Tage in Dortmund verstreuten sich die Teilnehmenden am Sonntag wieder in ihre Studienorte; in freudiger Erwartung auf das nächste Zusammentreffen im Februar 2017 zum GFPS-Forum in Hamburg.

Jonas Eichhorn