Gemeinschaft für studentischen Austausch in Mittel- und Osteuropa (GFPS) e. V.

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Die Biene Maja trinational – Kein Quatsch

Das Ganze in Kürze ...

In einem unbekannten Land ...

... fanden sich die Stipendiaten von GFPS-Polska, GFPS e.V. und Janua linguarum reserata mit Beginn ihres Stipendiums im Sommersemester 2004 ein. Polnische und tschechische Studierende verbrachten das Semester in verschiedenen Universitätsstädten Deutschlands von Regensburg bis Berlin, und deutsche Studierende weilten in polnischen Studienmetropolen von Kraków bis Gdańsk. Zwischen Beginn des Semesters und dem abschließenden trinationalen Stipendiatenseminar, das vom 10. bis 13. Juli 2004 im niederschlesischen Krzyżowa stattfand, war für jeden Einzelnen und nicht zuletzt auch für die befreundete »GFPS-Gemeinde« viel passiert.

Im Rahmen des trinationalen Stipendiatenseminars, bei dem sich polnische, tschechische und deutsche Stipendiaten sowie ein weiter und fröhlicher Kreis von GFPS-Mitgliedern und Freunden teilweise das erste, sicherlich aber nicht das letzte Mal begegnete, ging es nicht nur darum, Eindrücke auszutauschen und die Ergebnisse der individuellen Forschungsarbeiten zu präsentieren. Vielmehr kamen die Teilnehmer auch in den Genuss eines spannenden und abwechselungsreichen Zusatzprogramms, das von Sport (trinationales Volley- und Fußballspiel) über Literatur (Lesung von Leszek Herman Oswiecimski) und Geschichte (Kreisauer Kreis und Ausstellung über die Geschichte verschiedener Oppositionsbewegungen) bis hin zu Architektur (Besuch der Friedenskirche in Świdnica) reichte. Weitere Themen und Lichtblicke des Seminars waren der Austausch von Informationen zum Thema Mittel- und Osteuropa, die Zukunft von GFPS und nicht zuletzt jede Menge gemeinsames Gelächter, Lagerfeuer und fröhliches polnisch-tschechisch-deutsches Beisammensein.

Die Biene Maja, mit besonderer Vorliebe geträllert mit tschechischem Akzent, wird wohl den meisten Teilnehmern noch eine Weile in Erinnerung bleiben und in jedem Fall gilt der Satz aus der polnischen Jubiläumszeitung anlässlich des 10-jährigen Bestehens der GFPS-Polska:

Spotkanie w GFPS to: wspólne poznawianie świata, wspólna nauka i wspólna zabawa!

Und noch ein bisschen länger …

In einem unbekannten Land II …

Schon einmal im Pferdestall geschlafen oder im Kuhstall gefrühstückt? In Krzyżowa kein Problem. Über den »Umweg« des Edith-Stein-Hauses in Wroclaw gelangten wir ins niederschlesische Krzyżowa (zu deutsch Kreisau). Im Herzen des in wunderbarer Natur gelegenen 300-Seelendorfs steht der ehemalige Gutshof der Familie von Moltke, Wirkungsstätte des Kreisauer Kreises – eine Widerstandsbewegung gegen den Nationalsozialismus, die sich in erster Linie um den Entwurf einer Nachkriegsordnung bemühte – und heute internationale Tagungs- und Begegnungsstätte mit Schwerpunkt auf deutsch-polnischen Jugendbegegnungen. An diesem mit deutsch-polnischer Geschichte eng verwobenen Ort, sollte das Stipendiatenseminar stattfinden. Zu einem besseren Überblick über die Stätte unseres Aufenthalts verhalf uns Juliane Blum, die bereits als Freiwillige für ein halbes Jahr in Krzyżowa gelebt und gearbeitet hatte, und so nicht nur einen fundierten Vortrag zur Jugendbegegnungsstätte hielt, sondern auch ein bisschen Insiderwissen vermittelte. Pferde- und Kuhstall entpuppten sich übrigens als aufwendig restaurierte Gebäude, die kaum Rückschlüsse auf ihre früheren Bewohner zuließen.

Sprach alles weit und breit …

Gesprochen, gedacht und gelacht wurde in den folgenden Tagen viel und intensiv. Gemeinsame »Amtssprache« war – da sowohl Tschechen als auch Polen auf ein Semester in Deutschland zurückblickten – das Deutsche; jedoch kam auch das Polnische nicht zu kurz. Eines der kleineren Highlights war die Wahl des besten polnischen, deutschen und tschechischen Wortes, wobei im Deutschen »Ach Quatsch« des Rennen machte und »tučňák«, das tschechische Wort für Pinguin, ebenfalls prämiert wurde. Knapp abgeschlagen blieb der polnische Vertreter dżdżownica (Regenwurm).

Kleine, freche, schlaue …

Stipendiaten … Das Programm des Sonn- und Montags wurde zunächst durch die Referate der Stipendiaten bestimmt. Dabei war man als Zuhörer leider immer vor die Qual der Wahl gestellt, sich auf Grund der Themenfülle zwischen zwei zeitlich parallel laufenden Referatsblöcken (einmal in polnischer, einmal in deutscher Sprache) zu entscheiden. Angesichts der teils sehr spannenden Themen und der Möglichkeit, sich auch jenseits des eigenen Fachgebiets einmal ein wenig schlau zu machen, fiel das nicht immer leicht. Als kleinen Ausgleich für das jeweils nicht gehörte Referat konnte man sich allerdings auf Flipcharts, die von den jeweiligen Referenten teilweise sehr kreativ gestaltet wurden, einen Kurzüberblick über die versäumten Themen verschaffen. Tee- und Kaffeepausen (mit ausgezeichneten Schokoladenplätzchen …) ließen zudem genug Zeit die jeweiligen Referenten nochmals auf ihr Thema anzusprechen.

Die behandelten Themen berührten die Bereiche Geschichte – hier ging es um die ältesten westslawischen Völker und Konstantinopel und Rom im 7. Jahrhundert – und Wirtschaft – wo Fragen der Integration oder Desintegration der deutsch-polnischen Wirtschaftsbeziehungen in der Zeit nach dem 1. Weltkrieg oder strategischen Allianzen der großen Gesellschaften nachgegangen wurde – sowie Politikwissenschaften – hier mit den Themen Krise des parteipolitischen Konservatismus am Beispiel des AWS, europäische Weltraumpolitik und Demokratie und Menschenrechte in der Türkei – und schließlich Rechtswissenschaften mit einem Vortrag zum Schiedsgerichtsverfahren.

Auch kultur- und sprachwissenschaftliche Aspekte kamen nicht zu kurz. Den Zwerg, Symbol der vor allem in den 80er Jahren in Wroclaw aktiven Oppositionsbewegung Pomaranczowa Alternatywa, wird wohl der ein oder andere Zuhörer spätestens beim nächsten Besuch in Wroclaw aufsuchen, und nach dem Vortrag zum polnischen Untergrundtheater zu Zeiten des zweiten Weltkriegs weiß nun jeder, dem dies vorher noch nicht bekannt war, dass Karol Woityla auch in diesem Rahmen aktiv war. Um Sprache ging es während des Seminars an verschiedener Stelle und mit Vorträgen zur Entwicklung der Sprache der polnischen Literatur und zum kaschubischen Dialekt konnte diese Thematik wissenschaftlich unterfüttert werden. Gefolgt wurden die Referate oftmals von sehr anregenden Diskussionen, die zum Teil zu späterem Zeitpunkt noch ihre Fortsetzung fanden und gerade durch die zusammenkommenden unterschiedlichen Blickwinkel und Herangehensweisen besonders produktiv waren.

Zeigen uns das was ihnen gefällt …

Die Erfahrungsberichte derjenigen Stipendiaten, die während des Semesters einen Intensivsprachkurs besucht hatten, gaben im Laufe des Montags Anlass zu Gelächter und manchmal vielleicht auch zu ein wenig Verwunderung. Während Sebastian in Polen zum Blumendieb wurde und sich so den örtlichen Gebräuchen auf individuelle Weise anzupasste, war Nina in den Anfangswochen unversehens mit einer Auswahl polnische Männer im heiratsfähigen Alter im Copyshop konfrontiert. Für jeden Einzelnen steckte das vergangene halbe Jahr voll von ähnlichen Erlebnissen, an die man sich an dieser Stelle blendend erinnern konnte. Im Ganzen konnte immer eine sehr positive Bilanz des Aufenthalts im unbekannten Landes gezogen werden und der Wunsch nach einer Rückkehr zu einem späteren Zeitpunkt stand eigentlich bei allen fest. Ein GFPS-Aufenthalt bleibt also nicht ohne Nachwirkungen der angenehmen Art.

Ivana aus Tschechien vermochte die Zuhörerschaft mit ihrem voller Begeisterung vorgetragenen Bericht über Theater- und Projektarbeit ausländischer sowie deutscher Studenten des Tschechischen an der Uni Regensburg zu begeistern. Schade war zwar, dass man auf den Genuss der Theatervorstellung verzichten musste, aber Photos und Erzählungen erlaubten dennoch einen guten Einblick.

Wenn ich an einem schönen Tag …

Trotz des intensiven wissenschaftlichen Programms kam der gemeinsame Spaß und Austausch nicht zu kurz. Den »Gang durch die Blumenwiese« unternahmen wir mit der Kreisau-Ralley am Sonntag und trotz Regen und kleinen Jungen, die einen auch gerne mal auf die falsche Fährte lockten, wurden schon hier erste deutsch-polnische Lieder zum Besten gegeben und gelernt und nebenbei erfuhr man ein wenig mehr über Wirken und Mitglieder des Kreisauer Kreises. Ein Wissen, das durch den Besuch der hauseigenen Ausstellung über den Kreisauer Kreis und die Geschichte verschiedener Oppositionsbewegungen noch vertieft werden konnte.

Der Sonntag Abend gehörte zunächst Leszek Herman Oswiecimski, einem polnischen Autor, der auch im Klubs der polnischen Versager in Berlin heimisch ist. Er stellte uns sein neues Buch »Klub der polnischen Wurstmenschen« vor und durch eine entsprechende Verfilmung konnte sich jeder ein ewiges Bild vom polnischen Wurstmenschen machen. Noch heute muss ich beim Anblick von Wurst meist unwillkürlich an diesen Abend denken – auch hier also ein bleibender Eindruck.

Nach so viel Wissen und Eindrücken musste sich natürlich am Montag ausgiebig beim trinationalen Volley- und Fußballspiel ausgetobt werden und die Abende wurden durch Lagerfeuer, jede Menge gemeinsames Gelächter und fröhliches Beisammensein gekrönt. Wie schon erwähnt erwuchs die Biene Maja mit tschechischem Akzent zum Highlight für die, die am längsten durchzuhalten vermochten und nach dem abschließenden gemeinsamen Besuch der Friedenskirche in Świdnica …

Fliegen durch die Welt …

… flogen oder fuhren alle Teilnehmer um einige Eindrücke und Erfahrungen reicher zurück in heimische der gastländische Gefilde nicht ohne …

Wir treffen heute …

… sicher zu gehen, die nötigen Telefonnummern und Adressen ausgetauscht zu haben, um den ein oder anderen in Kürze wieder treffen zu können.

DANKESCHÖN – DZIĘKUJEMY – DĚKUJI an dieser Stelle den Organisatoren Corinna, Dorina, Dorota und Jacek und allen, die sonst zum Gelingen des Seminars beigetragen haben.

Claudia Gorihs