Gemeinschaft für studentischen Austausch in Mittel- und Osteuropa (GFPS) e. V.

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Berlin, Riefenstahl und ich

Heute fällt es mir schwer mich daran zu erinnern, dass Potsdam und Berlin noch vor einem halben Jahr fremde Städte für mich waren. Schwieriger ist jedoch der Gedanke von Potsdam und Berlin fern zu bleiben.

Natürlich erwartete ich damals, viel Neues während des Stipendiumsaufenthaltes hier zu erfahren. Ich vermutete nicht mich so einfach einleben zu können.

Mir war am wichtigsten einen großen Fortschritt in meiner Magisterarbeit über Leni Riefenstahl und ihre Rezeption in der deutschen gegenwärtigen Presse zu machen, was mir auch gut gelang. Ich denke, ich konnte mein Wissen über Deutschland vertiefen – sowohl durch Lektüren, Beobachtungen als auch durch persönliche Kontakte. Dazu besuchte ich die Berlinale und berichtete darüber für das polnische Filmmagazin „Kino”, womit ich mich gern auch zukünftig beschäftigen würde.

Der Bestand der Bibliotheken stellte mich bezüglich meiner wissenschaftlichen Arbeit hier sehr zufrieden. In der Staatsbibliothek zu Berlin, der Bibliothek der Topographie des Terrors und in der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam fand ich viele mich interessierende Materialien, die für meine Magisterarbeit essentiell waren.

Über die Filme, Bücher und Zeitungen heraus waren mir die Leute in meiner Arbeit wichtig. Zwar waren nicht alle Professoren hilfsbereit, dafür bekam ich umfassend von den deutschen Studenten Hilfestellung durch informative Gespräche über Riefenstahl. Ich gewann immer mehr Überzeugung, dass für die Deutschen auch aus der jungen Generation die Naziregisseurin umstritten bleibt. Als ich über sie in verschiedenen Situationen sprach, bemerkte ich, dass fast niemand ihr gegenüber gleichgültig war. Besonders bemerkenswert war die Diskussion, die sich während des Seminars von GFPS in Radvanice entwickelte, welche mir neue Ansichten zeigte.

Um zu neuen Erkentissen über Riefenstahl zu kommen nahm ich auch Kontakt mit der Universität Bochum auf und ich plane noch mit Rainer Rother, der die wichtigste Biographie Riefenstahls geschrieben hat, ins Gespräch zu kommen.

Berlin selbst ist für mich ein Sonderthema. Mein Kulturprogramm umfasst Kino-, Theater-, und Museumsbesuche. Die Höhepunkte waren die Berlinale und die Ausstellung von der Modern Art Gallery. Ich verstehe, warum Walter Benjamin und Franz Hessel zu „Flaneurs” hier geworden sind und warum der Sänger Kaiserbase: „Berlin, du bist so wunderbar”, singt.

Was besonders mein Interesse weckte, ist das Thema „die Polen in Berlin”. Mit nach Polen nehme ich ein Bild voller Widersprüche. Auf der einen Seite stehen das traurig aussehende Institut der Polnischen Kultur neben dem Alexanderplatz, die deutschen Journalisten, die oft ohne das Hintergrundwissen über Polen schreiben und die Kollegen aus Polen, die sich über „kiszone” Gurken und unsere Wirtschaft schämen. Auf der anderen Seite gibt es die grandiosen polnischen Filmemacher, die auf der Berlinale gepriesen wurden, die eindrucksvollen polnischen Theater auf den Berliner Bühnen, die polnische Botschaft, wo man für deutschen Journalisten Reisen auf die andere Seite der Oder veranstaltet und die Deutschen, die polnisch lernen und sich sehr gut im Thema „Polen” auskennen (meine Achtung für die GFPS-Mitglieder und Stipendiaten).

Im Ergebnis kann man aber über Polen aufgrund der Widersprüche keine eindeutige Meinung bilden. Jedenfalls freue ich mich sehr, dass die GFPS mir die Möglichkeit gab über das alles zu erfahren und gleichzeitig meine Forschung zu führen.

Malwina Grochowska