Gemeinschaft für studentischen Austausch in Mittel- und Osteuropa (GFPS) e. V.

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Städtetage Tübingen / Mitgliederversammlung 1999

Nach der Stippvisite vor über einem Jahr in das Elbflorenz zu Dresden haben wir wieder mal eine Stadt mit italienischem Flair besucht. Diesmal war es Tübingen oder das schwäbische Venedig, wie man die Stadt wegen seiner Kanäle nennen könnte. Die in Aussicht gestellte Kahnfahrt fiel aber leider dem Hochwasser zum Opfer.

Kam Goethe nach Tübingen, um sich schon mal seelisch auf eine anstehende Italienreise einzustimmen? Was er von der Stadt der Brezel hielt, brachte eine orale Geste zum Ausdruck, die per Schild heute dokumentiert ist: er fand es zum Kotzen. Ansonsten war der Weg der GFPS von Tübingen aus weniger nach Italien ausgerichtet. Die Marschroute hieß »GFPS goes Tschechien«, so war es im letzten Rundbrief angekündigt.

Bevor es aber auf der Mitgliederversammlung soweit war, war Kennenlernen von Land und Leute angesagt. Geertje und Tobias empfingen uns aufs herzlichste in der Katholischen Hochschulgemeinde und wiesen in die sanitären Anlagen (freundlicherweise von verreisten Wohnheimbesitzern zur Verfügung gestellt) und in die Schlafgemächer ein. Nach dem reichhaltigen Frühstücksbüffet gab es eine ausgiebige Stadtbesichtigung. Tübingen bietet nicht nur sehr viele Kneipen, für die man schon ein Trinksemester investieren sollte, will man alle austesten, sondern eben auch sehr viele Geschichten und Anekdoten, seien es Studentenstreiks wegen zu hoher Brezelpreise, unfreundliche Autofahrer und dergleichen mehr. Unser Stadtführer hatte viel zu erzählen, traf aber nicht nur auf offene Ohren. So wurde er doch von manchem Passanten ignoriert, den er doch für einen Studentenfreund gehalten hatte. Aber wie dem auch sei: wer auch nach dreistündiger Stadtführung der Ansicht war, noch nicht genug Informationen über Tübingen bekommen zu haben, dem bot sich die Möglichkeit abendlicher Nachbereitung. Wo man um halb neun abends hätte zwei Mal klingeln können, soll aber aus datenschutzrechtlichen Gründen verschwiegen werden.

Am Nachmittag konnte man die Blicke in der Kunsthalle auf Werke von Kandinsky schweifen lassen oder aber auch auf dem Turm der Stiftskirche. Sehr gute Augen nahmen dort die Hohenzollernburg bei Hechingen wahr, die am nächsten Tag von den polnischen Stipendiaten besichtigt wurde.

Für die übrigen stand eine lange Mitgliederversammlung auf dem Programm. Es gab nicht nur einen neuen Vorstand, sondern auch einen neuen Namen und die Erweiterung der Kooperation zu Ianua mit Sitz in Usti nad Labem in der Tschechischen Republik. Diese fiel nach einiger Diskussion am Ende einstimmig aus, obwohl auch Zweifel geäußert wurden: Ist eine Erweiterung gerade nach Tschechien naheliegend? Warum nicht zur Ukraine? Wie geht die deutsch-polnische Zusammenarbeit weiter? Übersteigt das alles nicht eine ehrenamtliche Vorstandsarbeit?

Unsere neue Partnerorganisation konnte auf der Versammlung vor allem bei der Namensfindung die Gepflogenheiten gründlicher deutscher Bürokratie erleben. So schien die Kreativität keine Grenzen zu kennen (»[…] im EINEN Europa«), und es wurden alle Fälle akribisch durchgespielt. (Frage an Ianua: »Könnt Ihr Euch vorstellen, Euch 'GFPS ceska' zu nennen, wenn wir zu GFPS den Zusatz 'Deutschland' in den Namen aufnehmen?«) Dabei wurde aber immer ein großer Wert auf einen ordnungsgemäßen Ablauf gelegt. (»Auf die Rede von … ist keine formale Gegenrede erfolgt, damit darf er den Antrag stellen, ob ..«, »Ich stelle den Antrag, daß für den Fall, daß der Antrag über … angenommen wird, .. erfolgen soll.«) Welcher Name dabei am Ende herauskam, soll hier nicht versucht werden aufzuschreiben. Manchmal werden Leute, die den Namen unseres Vereins nicht korrekt wiedergeben, später auch schon zum Vorsitzenden berufen.

Nach getaner Arbeit ließen wir den Abend bei Tanz und Grill langsam ausklingen. Es ist sehr viel gesehen, geredet und diskutiert worden. Tübingen zeigte sich, was das Wetter anbetraf, leider eher ostwestfälisch. Trotz Goethe-Jahres wollen wir uns aber dem Votum unseres großen Dichters nicht anschließen und fanden es ganz toll. Die schönen Fachwerkhäuser mit dem studentischen Umfeld boten den passenden Rahmen, die KHG das Gebäude, wie es besser nicht hätte sein können, Geertje und Tobias waren die Organisatoren, wie sie besser nicht hätten sein können.

Holger Laube